Kleiner Urwald voller Schluchten: Wanderung durch die Glindower Alpen

Die Glindower Alpen sind eine kleine Überraschung: Ein rechter Wandergeheimtipp im Umland von Potsdam, südlich von Werder/Havel. Eine Mittelgebirgslandschaft auf 120 Hektar mit steilen Pfaden in 40 Meter tiefe Schluchten und zu verwunschenen Teichen. Ein Urwald, der der Natur überlassen ist. Und doch erst durch Menschenhand entstand. Wir zeigen Dir die Route, mit der Du alles entdecken kannst.

Reiche Lehm- und Tonvorkommen ließen in der Mark Brandenburg an vielen verschiedenen Orten Tonstiche und Ziegeleien entstehen. Dort wurden die Rohstoffe abgebaut und Bausteine gebrannt, aus denen die Gebäude unserer Städte bestehen. Über die zahlreichen Flüsse und Kanäle wurden sie z.B. auf Ziegelkähnen nach Berlin transportiert. So hieß es früher, „Berlin wurde vom Wasser aus gebaut“, weshalb das Wasserstraßennetz unter den preußischen Königen stetig ausgebaut wurde. So entstanden großartige Backsteinbauten wie das Rote Rathaus, die Museen der Museumsinsel oder das Ullsteinhaus in Tempelhof – aber auch die typischen Berliner Mietskasernen aus dem 19. Jahrhundert. Doch keine der Tonstiche hinterließ so eine eindrucksvolle Gebirgslandschaft.

Aufgebaut wurde die Ziegeleiwirtschaft am Glindower See von den Zisterziensermönchen des unweit entfernten Klosters Lehnin. Schon um 1462. Es gehört selbst zu einem der wichtigsten romanisch-gotischen Backsteinbauten Brandenburgs. Immer mehr Tonstiche und Ziegeleien entstanden.

Die Steine, aus denen Berlin gebaut wurde

Besonders Berlin wurde mit dem rasanten Wirtschaftswachstum der Gründerzeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zum Hauptabnehmer der Ziegel. In der Blütezeit im 19. Jahrhundert bestanden in und um Glindow 18 Ziegeleien. Geschätzt 22 Billionen Ziegelsteine wurden nach Berlin geliefert.

Doch Ende der 1880er Jahre erschöpften sich die Tonvorräte in den traditionellen Gruben langsam. Es begann der Niedergang der Industrie. Insbesondere, nachdem beim Bahnbau bei von Zehdenick 1887 neue ergiebigere Tonvorkommen entdeckt wurden. Sie deckten fortan den Bedarf der wachsenden Millionenmetropole. Zuletzt produzierten noch eins, zwei volkseigene Betriebe Blumentöpfe bis Ende der 1980er Jahre.

Geblieben ist das Ziegeleimuseum auf dem Gelände der Ziegeleimanufaktur. Seit der Wende werden hier Handstrichziegel, Terrakotten und Formsteine in allen Farben erzeugt. Diese handgearbeiteten Produkte werden vor allem zur Denkmalrestaurierung verwendet. 

Zeitreise: Leben und Arbeiten in der Ziegelei

Gebrannt werden die Ziegel wie vor 150 Jahren im Hoffmannschen Ringofen nach dem vom Ingenieur Friedrich Eduard Hoffmann erfundenen Rotationsprinzip. Der Eingang zum Museum befindet sich am backsteinernen Ziegeleiturm. 1890 wurde er als Ausguck für nahende Transportkähne auf dem Glindower See errichtet wurde. Heute zeigt er eine Ausstellung über die historischen Technologien der Ziegelindustrie. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der oft aus Westfalen eingewanderten Saisonarbeiter werden vorgestellt, ebenso wie die Geschichte der Fabrikeigentümer.

Bis heute sichtbare Folge des Tonabbaus sind die Hügel und Schluchten der Glindower Alpen. Wer tief in die Erde geht, um an Lehm und Ton zu gelangen, der muss auch hoch den Abraum aufschütten. Und so entstand das kleine Gebirge. Einige Restlöcher füllten sich mit Wasser und wurden Grubenteiche. Nachdem bereits gegen 1900 die meisten Tongruben ausgebeutet waren und geschlossen wurden, hatte die Natur mehr als ein Jahrhundert Zeit, die Landschaft nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Verwunschener Wald

Ein kleiner Urwald entstand – aus Berg- und Spitzahorn, Hainbuche, Winterlinde, Esche, Rotbuche und Robinien, Fichten und Kiefern. Umgeworfene Bäume, die dem Wind nachgaben, sind mit Moosen und Flechten überwuchert. An einigen Waldsäumen: Sanddünen mit Trockenrasen. Ein Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten.

Ein Naturlehrpfad führt als Wanderweg auf verschlungenen Pfaden durch den urwüchsigen Wald. Immer wieder öffnen sich Schluchten und Grubenteiche. Steile Aufstiege. Vom Aussichtspunkt Belvedere ein Ausblick auf Werder, Petzow, Geltow, die Seen- und Waldlandschaft. Von der Rückseite am Waldesrand auf die sanft geschwungenen Felder der Zauche.

Herrschaftliches Petzow

Die Wanderung führt uns ins benachbarte Petzow – romantisch gelegen zwischen drei Seen. An vielen Gebäuden erkennt man die Backsteinkunst. An der Hauptstraße rechter Hand führt ein Wanderweg um den Haussee in den Schlosspark. Ein bisschen Tudor, ein bisschen Maurenkastell, ein bisschen englischer Landschaftsgarten: Der große Architekt des preußischen Klassizismus Karl Friedrich Schinkel sorgte für Ruhm und Ehre des Gutsbesitzers und Amtsrats Kaehne, indem er sein Herrenhaus zum Schloss ausbaute.

Für den umliegenden Schlosspark durfte kein Geringerer als der große preußische Gartenbauer Peter Joseph von Lenné Hand anlegen. Es wurde zum Teil des Lennéschen „Verschönerungsplan der Umgebung von Potsdam“. Seine Büste wacht vom anderen Seeufer noch immer über sein Werk.

Eine Dorf aus der Hand von Schinkel und Lenné

Ein bisschen Italien: Auch die neuromanische Dorfkirche Petzow, 1842 auf der Anhöhe des Grellebergs erbaut, entstand nach den Plänen von Schinkel und wurde durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. eingeweiht. Auf gerader Promenade ist sie mit dem Schloss verbunden. Immer wieder verlieben sich Paare in das Panorama und wählen die Kirche für ihre Hochzeit aus. Schon Fontane würdigte es: „Das Ganze ein Landschaftsbild im großen Stil, nicht von relativer Schönheit, sondern absolut“. Was der große Dichter noch über Petzow und Glindow schrieb, erzählt die Fontane-App vom RBB. Kirchberg und Glockenturm bieten einen großartigen Ausblick auf alle drei Seen.

Und so gibt es zwei Wege weiter: Entweder mit dem Ausflugsdampfer vom Schiffsanleger über Schwielowsee, Templiner See und Havel nach Potsdam. Die gemütliche Fahrt dauert eine Stunde bis zum Hafen der Weißen Flotte an der Langen Brücke – schräg gegenüber vom Hauptbahnhof.

Oder am Glindower See entlang zur Bushaltestelle Glindow (3 km) oder direkt zu Fuß bis nach Werder (6 km). Das Altstädtchen befindet sich auf einer Havelinsel mit Gässchen, Kirchlein, Schiffsanleger und Uferpromenade – mit Bockwindmühle an der Südspitze und Obstbaumuseum über die Geschichte von „Berlins Obstgarten“. Von der Friedrichshöhe auf dem Weg zum Bahnhof hast Du einen Ausblick auf die Obsthänge. Schon Ende des 19. Jahrhunderts lud die ehemalige Ausflugsgaststätte die Städter zur Landpartie.

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Mit Bus und Bahn in die „Alpen“

Der Regionalexpress RE 1 fährt jede halbe Stunde von Berlin, Potsdam und Brandenburg nach Werder/Havel. Die Buslinien 633 und 641 verkehren vom Bahnhof Werder alle 30-60 Minuten in einer Viertelstunde nach Glindow, Kirche.

Glindow befindet sich im Tarifbereich Berlin ABC und Potsdam ABC. Hast Du eine Abo-, Monats-, Jahreskarte Berlin AB oder Potsdam AB, dann reicht ein Anschlussfahrausweis für den Tarifbereich C. Fahrpreise und Fahrpläne beim Verkehrsverbund VBB.

Wanderweg Glindow – Glindower Alpen – Petzow 7 km – Glindow 10 km

Auf geht’s: Dein Fahrplan und Fahrpreis

 
 
Michael Bartnik
Vor 20 Jahren, als ich in einem kleine Reisebüro Ferien verkaufte, brachte die Deutsche Bahn ihr legendäres Schönes-Wochenende-Ticket auf den Markt, das den Wochenendtrip viel erschwinglicher machte. Wir erfanden einen Reiseführer für Bahnausflüge.

Fotos: Michael Bartnik.