8 Bahnhöfe in Deutschland, die Du gesehen haben solltest

Zeitreise in die Vergangenheit

Es gibt einen Grund, warum der Bahnhof einer Stadt oft das Wahrzeichen ist: Seine großartige Architektur, seine technische Innovation, seine Erhabenheit. Es ist der erste und letzte Eindruck, den Du von einer Stadt erlangst. Eine Visitenkarte. Es sind aber auch die Geschichten, wenn Menschen kommen und gehen, Freunde sich treffen oder emotionale Abschiede.

Und im Gegensatz zu Flughäfen haben viele Bahnhöfe eine viel tiefere historische Bedeutung und behalten eine gewisse Größe vergangener Zeiten. Railtripping besuchte acht der beeindruckendsten Bahnhöfe Deutschlands, an denen es sich lohnt, auszusteigen, sich umzuschauen und den nächsten Zug zu nehmen.


Jugendstil-Monument: Görlitz

Der beeindruckende Jugendstil-Bahnhof mit seinen einst zehn Gleisen wir etwas groß für die paar Regionalbahnen. Er ist ein Relikt aus einer anderen Zeit. Als er 1917 gebaut wurde lag er fast in der Mitte Deutschlands. Hier konnte man D-Züge nach Berlin, Paris, Breslau und Warschau besteigen. Doch der Zweite Weltkrieg änderte alles: Seitdem die Grenze bis an Oder und Neiße vorrückte, verlor die Randstadt Görlitz rasch an Bedeutung. Heute ist er der östlichste Bahnhofs Deutschlands.

Zum Glück hat Görlitz den Krieg fast unversehrt überstanden, ebenso der Bahnhof. Die vielen historischen Gebäude der Stadt, einschließlich des Bahnhofs, bilden heute eine beliebte Kulisse für Filme wie „Grand Budapest Hotel“, „Allein in Berlin“, „Der Bücherdieb“ und „Die stille Revolution“. 

Mehr übers weihnachtliche Görlitz.

Deutschlands Ältester: Vienenburg

Der Bahnhof Vienenburg befindet sich an einem Eisenbahnknotenpunkt am nördlichen Fuße des Harzes und ist der älteste noch in Betrieb befindliche Bahnhof Deutschlands aus dem Jahr 1840. Nur die Bahnhofshallen Düsseldorf-Gerresheim (1838) und Köln-Müngersdorf (Haus Belvedere, 1839) behaupten, älter zu sein. Sie werden aber nicht mehr benutzt.

Das Hauptbahnhofsgebäude in Vienenburg beherbergt ein kleines Café, die örtliche Bibliothek, ein Besucherzentrum und das Eisenbahnmuseum Vienenburg. Ein Highlight ist die Dampflok 52-1360, die 1943 bei den Borsigwerken in Berlin als sogenannte Kriegslok gebaut wurde und bis heute in Betrieb ist.

Im Kaisersaal, der durch einen Korridor mit dem Bahnhof verbunden war, ruhte sich der deutsche Kaiser Wilhelm I. während seines Aufenthalts in Vienenburg im Jahr 1875 aus. Der Saal ist noch geöffnet und kann heute für Zeremonien gemietet werden. Der Bahnhof hat auch direkten Zugang zum malerischen Vienenburger See mit einer schönen Terrasse am Wasser. Es machte uns sicherlich nichts aus, auf den nächsten Zug zu warten …

www.vienenburgerwirtshaus.de 

Europas Größter: Leipzig 

Steigst Du am Leipziger Hauptbahnhof aus dem Zug und läufst den Bahnsteig zur Haupthalle, dann fühlst Du Dich mit jedem Schritt immer überwältigter von diesem beeindruckenden Jugendstilgebäude. Kein Wunder: Mit einer überdachten Fläche von 83.640 m² (oder rund 12 Fußballfeldern) ist es die größte Station in Europa. Das mächtige Glasdach und die riesigen Torbögen tragen zur Weite und Schönheit des Bahnhofs bei. Die helle Sandsteinfassade ist beeindruckend 298 m breit und zeugt von Leipzigs Ruf für Ingenieurwesen, Eisenarbeiten und Architektur.

Aber warum ausgerechnet Leipzig? Das liegt daran, dass der Bahnhof früher sowohl der sächsischen als auch der preußischen Eisenbahn gehörte, also haben sie zwei von allem gebaut. Zwei Empfangsräume, zwei Wartezimmerbereiche, zwei Haupttreppenhäuser – und alle werden heute noch genutzt.

Das Gebäude wurde durch Bombenangriffe der Alliierten während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere am 7. Juli 1944, schwer beschädigt. Hunderte Passagiere und Eisenbahnangestellte wurden getötet, als das Dach über der Halle einstürzte und die westliche Eingangshalle zerstört wurde. Eine Gedenktafel am westlichen Eingang erinnert an dieses tragische Ereignis heute. Zu DDR-Zeiten hatte die Deutsche Reichsbahn die Westhalle Anfang der 1950er Jahre wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt.

Im Februar 2020 wurde der Leipziger Hauptbahnhof zum besten Bahnhof Deutschlands und zum drittbesten Europas gekürt und nur von St. Pancras in London und dem Zürcher Hauptbahnhof übertroffen. 

Fantastischer Hundertwasser: Uelzen

Mit farbenfrohen Säulen, glitzernden goldenen Globen und Bäumen auf dem Dach könnte dies leicht der Eingang zu einem Themenpark sein … aber es ist nur ein Bahnhof auf der Strecke Hamburg – Hannover, ein seltsamer und wunderbarer Ort voller künstlerischem Flair.

Ende der Neunziger Jahre befand sich Uelzens alter Bahnhof aus rotem Backstein in einem schrecklichen Zustand und es fehlten Mittel für die Renovierung. Mit Hilfe lokaler Aktivisten, der Expo 2000 und der Deutschen Bahn, entwarf der Wiener bildende Künstler und Architekt Friedensreich Hundertwasser „einen Bahnhof, der so farbenfroh ist wie die fantastische Welt der Märchen“. Heute behaupten viele, das Märchengebäude sei eine der schönsten Stationen der Welt.

Führungen geben Ihnen Einblick in das Zusammenspiel von Kunst, Funktion und besonderen Details – und es gibt sogar ein farbenfrohes Hundertwasser-Café und -Restaurant im Inneren.

Baroque Grandeur: Hamm (Westfalen)

„Zugteilung in Hamm Westfalen“ ist der vertraute Refrain für alle, die regelmäßig zwischen Berlin, Hannover, Köln und Düsseldorf unterwegs sind. Als häufiger Reisender zwischen Berlin und Holland muss ich über 100 Mal in Hamm angehalten haben, bin aber bis vor kurzem nie ausgestiegen. Und ich bin froh, dass ich das getan habe. Denn Hamm hat eines der beeindruckendsten Bahnhofsgebäude Deutschlands.

Wäre da nicht das Schild „Bahnhof“ und das DB-Logo, könnte man annehmen, man betritt einen königlichen Palast. Die heutige Bahnhofshalle wurde 1920 eröffnet. Sowohl die Halle als auch die Fassade sind mit Jugendstilelementen versehen, die Sie in die Vergangenheit zurückversetzen. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg von Bomben teilweise beschädigt, aber rasch wieder aufgebaut und modernisiert.

Grenzgänger zwischen den Systemen: Berlin Friedrichstraße

In einer Stadt voller Geschichte ist es schwierig, einen Bahnhof auszuwählen, der sich durch seine historische Bedeutung von den anderen abhebt. Viele Berliner Bahnhöfe haben faszinierende Geschichten zu erzählen, viele tragische. Aber die Friedrichstraße ist vielleicht die interessanteste, da sie sowohl im Dritten Reich als auch im Kalten Krieg eine wichtige Rolle spielte.

„Trains to Life – Trains to Death“ heißt die Skulptur in der Georgenstraße von sieben jüdischen Kindern, die an die 1,6 Millionen von den Nazis ermordeten Kinder sowie an die 10.000 erinnert, die nur 8 Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in England Zuflucht gefunden haben. In der sogenannten Kindertransport-Rettungsmission konnten rund 10.000 jüdische Kinder aus Nazideutschland fliehen und in Großbritannien Zuflucht suchen. Der erste Zug mit 196 Kindern verließ am 30. November 1938 den Bahnhof Friedrichstraße.

Während des Kalten Krieges wurde „Friedrichstraße“ als Bahnhof bekannt, der sich vollständig in Ostberlin befand, aber weiterhin von S- und U-Bahnen beiderseits des Eisernen Vorhangs bedient wurde. Hermetisch abgetrennt durch Mauern, Gänge, Tunnel und einen schwer zu passierenden Grenzübergang, den „Tränenpalast“. Heute ist eine Ausstellung zu zahlreichen tragischen Grenzgeschichten in dem benachbarten Glasbau zu sehen. 

Fernzüge zwischen Ost und West hielten hier zur Grenzkontrolle – wie der berühmte Paris-Moskau-Express. Mitglieder der berüchtigten militanten RAF nutzten ihn als Fluchtweg, um einer Verhaftung in Westdeutschland zu entgehen. 

Verpassen Sie auch nicht die Gedenktafel unter der Bahnhofsbrücke (neben McDonalds), die an zwei junge Soldaten erinnert, die hier während der Schlacht von Berlin gehängt wurden. 

Umgehungshauptbahnhof: Potsdam-Pirschheide

Steigst Du hier aus, bist Du wahrscheinlich der Einzige auf dem Bahnsteig. Ganz anders in den 1970er und 80ern, als hier täglich 400 Züge hielten und über 100 Reichsbahner arbeiteten. Ein früherer Kreuzungsbahnhof am Rande der siebtgrößten Stadt der DDR: Potsdam. Hier trafen sich die StädteExpress-Züge nach Magdeburg, die lokalen Sputnik-Züge rund um West-Berlin, die Nahverkehrszüge nach Beelitz und Belzig, und die Pendelzüge zum Stadtbahnhof (heute Potsdam Hbf). Das Bahnhofsgebäude im DDR-Stil ist heute noch intakt und einen Besuch wert.

Wegen der Berliner Mauer konnten die Züge West-Berlin nicht durchqueren: Der teils viergleisige Außenring wurde errichtet, um West-Berlin in großem Bogen zu umfahren. Südlich von Potsdam entstand der neue Hauptbahnhof, wo der Außenring den Templiner See auf einem 1,2 km langen Damm überquert und die Bahnlinie nach Belzig kreuzt. 

Mit der deutschen Vereinigung wurde auch die Bahnlinie zwischen Berlin-Wannsee und Potsdam für den S-Bahn- und Regionalverkehr wiederhergestellt. Damit erhielt die Brandenburgische Landeshauptstadt ihren Hauptbahnhof im Stadtzentrum zurück – als modernen Bus-, Straßenbahn-, S-Bahn- und Eisenbahnknoten mit angeschlossenem Einkaufszentrum.  

Der Kreuzungsbahnhof am Waldrand versank in Dornröschenschlaf. Nur noch eine Linie hält 2x pro Stunde am verbliebenen Hausbahnsteig. Er ist als seltenes Beispiel für die DDR-Eisenbahnarchitektur erhalten geblieben. 

Erste Eisenbahn: Nürnberg Hauptbahnhof

Nürnberg war schon immer ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt in Deutschland. Und mit seinen 25 Gleisen ist der Bahnhof einer der größten in Europa. Von hier aus wurde in den 1830er Jahren die erste Bahnstrecke in Deutschland von Nürnberg nach Fürth eingeweiht. 

Das heute Empfangsgebäude stammt aus dem Jahr 1905. Die monumentale neobarocke Fassade und die Haupthalle des Jugendstils sind so beeindruckend, dass sie heute als denkmalgeschütztes Gebäude erhalten bleiben. Schau! Die wunderschönen Wandmosaike, die alle dem Thema Reisen folgen. Ebenfalls einen Besuch wert ist das nahe gelegene Nürnberger Verkehrsmuseum, das 1899 eröffnet wurde. Es ist das älteste Eisenbahnmuseum der Welt.

In zwei Hallen sind rund 40 berühmte Züge ausgestellt, darunter der älteste erhaltene Personenwagen in Deutschland, eine Nachbildung der ersten Dampflokomotive des Landes, und ein Modell des ICE 4, der nächsten Generation von Hochgeschwindigkeitszügen.

Nürnberg ist Zwischenhalt auf unseren den Spuren der Befreiung.

Geisterbahnhof: Berlin Nordbahnhof

Dies ist ein weiterer Berliner Bahnhof mit historischer Bedeutung. Hier fuhren einst Züge in die Ferienorte an der Ostseeküste. Der Bahnhof entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einem der verkehrsreichsten Bahnhöfe Berlins. Aufgrund der großen Kriegsschäden und der Teilung der Stadt verlor der Fernbahnhof seine Bedeutung und wurde 1952 endgültig geschlossen.

Die unterirdische Nord-Süd-S-Bahnstrecke wurde jedoch restauriert und nach dem Krieg wiedereröffnet. Hier kann man sich in die 1930er Jahre zurückversetzen. Die Architektur aus dieser Zeit, einschließlich der alten gotischen Schrift der Vorkriegszeit, ist weitgehend erhalten geblieben.

Der Nordbahnhof ist besonders interessant, weil er einer der 15 ehemaligen Geisterbahnhöfe in der deutschen Hauptstadt ist. Als West-Berlin zur Enklave innerhalb der sowjetischen Zone wurde, fuhren noch drei westliche U- und S-Bahnlinien durch Ost-Berliner Gebiet und nahmen zwischen 1961 und 1989 eine Sonderstellung im streng getrennten Verkehrsnetz der Stadt ein. Die Züge auf diesen Linien (die heutigen U-Bahnlinien 6 und 8 und der Nord-Süd-Zug der S-Bahn) hielten nicht mehr an den Haltestellen in Ost-Berlin, sondern fuhren weiter. Deshalb nannte man die stillgelegten Bahnhöfe Geisterbahnhöfe. Die Züge fuhren langsam und ohne anzuhalten. Bewaffnete Wachen standen im Dämmerlicht an den Bahnhöfen und Lautsprecher warnten vor der Durchfahrt durch Ost-Berlin: Letzter Bahnhof in West-Berlin!

Eine kleine Ausstellung im Eingangsgebäude Gartenstraße zeigt die Folgen für den öffentlichen Verkehr durch die Teilung Berlins sowie einige erfolgreiche und erfolglose Fluchtversuche über U-Bahnstationen und Tunnel.

Bart Giepmans
Seitdem sein Vater ihm eine BahnCard für die Niederlande geschenkt hat, entdeckt Bart Holland und Europa auf der Schiene. Jobs bei Interrail, der niederländischen und deutschen Bahn haben ihn zu einem enthusiastischen Botschafter für Zugreisen gemacht. Bart hat eine Leidenschaft für Geschichte, Hiking und Radfahren und pendelt regelmäßig zwischen Utrecht und Berlin.

Übersetzung: Michael Bartnik. Fotos: Bart Giepmans.